Retter in der Not: Kugelgrill und DEET

Heute regnet’s, was gar nicht so schlimm ist. So bleiben die hysterisch zankenden Nachbarn wenigstens alle in ihren Zelten und Wohnwagen. Wir übrigens auch nach dem Frühstück. Es schüttet nämlich wie aus Eimern, so arg, dass wir alle Fenster schließen müssen, weil es ansonsten reinsuppt. Zum erstenmal nach einer Woche Urlaub ist das Bettzeug endlich standesgemäß camping-klamm. Ich hatte schon befürchtet, dass dieser Kelch an uns vorbei zieht.
Heavy fummelt an seinem Notebook rum und beklagt den suboptimalen WLAN-Zugang. So wird das nichts mit dem morgigen Dortmund-Spiel! Die Sky-Hauptseite braucht allein 4 Minuten zum Laden und bricht nach Eingabe der Zugangsdaten unverschämterweise prompt die Verbindung ab. Er flucht und schimpft, rauft sich dabei die nicht vorhandenen Haare.
Wirklich unverschämt ist, dass das Ticket für 7 Tage Internetnutzung uns läppische 15 Euronen gekostet hat – dafür, dass mein (bereits mit einer Flatrate abbezahlter) UMTS-Stick dreimal schneller ist als das platzeigene WLAN. Und das, obwohl selbst der Stick hier nur EDGE hergibt… (Für weniger Versierte: WLAN = schneller als UMTS = schneller als EDGE)

Noch planen wir, Jana heute Abend mit Heavys inzwischen ausgeklügelten Grillkünsten zu beeindrucken. Daher suchen wir gegen frühen Nachmittag Edeka in 3km Entfernung auf. Wir haben weder Fleisch, noch Gemüse- und Getränkevorräte.
Von so viel Ärger über die schlechte Internetverbindung haben schon wieder Hunger. Vor dem Supermarkt steht eine Hähnchenbude. Um mein Shoppingverhalten ein wenig zu zügeln, beschließen wir vernünftigerweise, das Grill-Hendl vor dem Einkauf zu uns zu nehmen. Ich bin da wirklich ganz schlimm: Mit leerem Magen kaufe ich das Doppelte von dem, was gebraucht wird – oder hier in unseren Kühlschrank passen würde…

Diesmal sind Gemüse, Aufschnitt, Bratwurst, Steaks und Getränke schnell im Wagen. Wir schaffen es tatsächlich, den Supermarkt ohne größere Preisevaluation zu verlassen. (Die Auswahl des richtigen Spülschwamms fiel diesmal wirklich nicht schwer, es gab nur zwei qualitativ vergleichbare Modelle mit einem Preisunterschied von 1,49 EUR. Falls es jemanden interessiert: Es ist das Modell der Marke „gut & günstig“ geworden.)

Die Kassiererin hat ein unglaublich schlechtes Tattoo auf dem Oberarm. Das scheint hier Mode zu sein. Sich schlimme Tätowierungen stechen zu lassen, solche mit Schäm-Garantie. Ich weiß nicht, woran es liegt. Heavy meint, dass es hier auf dem Land keine guten Tätowierer gibt, weil nur wenig Nachfrage da ist. Dass man nach München fahren muss, um sich was Anständiges machen zu lassen. Nur, naja… jeder zweite hier hat so’n komisches Ding (Rosen, Elefanten, Drachen – alles sieht aus wie mit grüngrauem Filzstift gekritzelt und total verwaschen), Bedarf scheint es also noch und nöcher zu geben.
Im Rahmen unseres Urlaubs werden wir diesen Sachverhalt wohl nicht mehr aufklären.

Zurück am Platz regnet es immernoch Bindfäden. Die Einkäufe sind schnell verräumt. Jana hat sich für acht, halb neun angekündigt. Wir haben also noch jede Menge Zeit…
Ich mache einen Regenspaziergang und sehe mir die Anlegestelle der Segelschule an. Danach gönne ich mir einen Latte Macchiato auf der überdachten Terrasse des Campingplatz-Restaurants. Als ich zurück in den Camper komme, sitzt Heavy auf dem Bett und übt Gitarre. Ich lausche noch eine Weile.

Mit Jana habe ich vereinbart, dass sie sich telefonisch meldet, wenn ihr Navi ihr anzeigt, in 10 Minuten das Ziel zu erreichen. Der Regen nimmt immer weiter zu und erreicht natürlich seinen Höhepunkt, als mein Handy klingelt.
Es hilft nix: Schnell Regenjacke und Gummistiefel anziehen und ab zur Rezeption… äh… Moment…! Heavy hat gar keine Regenkleidung dabei… Möchte aber gern mitkommen, unseren Besuch in Empfang nehmen. Die Kapuze der Sweatshirtjacke reicht nicht aus, um ihn vor den Fluten zu schützen. Also zieht er sich noch ein Handtuch und eine Mülltüte über den Kopf – und sieht damit ganz schön bescheuert aus. Auf diese Weise ist allerdings die Stimmung direkt locker, als Jana ankommt, denn natürlich amüsiert sie sich über meinen „tollen neuen Freund“. Sie und Heavy haben sich immerhin noch nie gesehen…

Jana hat sich für die Fahrt zu uns den T5 ihrer Mitbewohnerin ausgeliehen und uns damit gleich angefixt. Das Ding ist der Hammer! Sauviel Platz drin, außerdem Dieselfahrzeug, viel PS, Standheizung, Klimaanlage. Zuhause im WG-Keller der Mädels gibt es wohl auch noch eine mobile Küchenzeile und ein Schränkchen, das man bei Bedarf einbauen kann. Eines Tages… (Ich sehe Heavy Sparfuchs jetzt schon mit den Augen rollen, ohne dass er meinen Text gelesen hat…)

Die Zeit mit Jana ist echt toll. Zwar sitzen wir erstmal unter dem verregneten Vorzelt, was nach Entleeren der sich gebildeten Wassersäcke im Vorzeltdach auch von unten nicht wirklich trocken ist. Nach der langen Zeit haben wir uns allerdings so viel zu erzählen, dass wir davon kaum etwas merken. Und das Schöne: Es fühlt sich nicht fremd an. Wir können weitermachen, wo wir aufgehört haben.

Der Grill-Plan ist wetterbedingt inzwischen Geschichte, und weil wir nicht zeitig genug aus dem Quark kommen, schaffen wir es gerade noch zum Campingplatz-Restaurant, bevor die Küche schließt. Es gibt nur noch Pizza, die erstaunlicherweise sogar schmeckt, ganz entgegen meiner „in-Bayern-gibt’s-keine-anständige-Pizza“-Theorie. Im Restaurant übertragen sie praktischerweise das Gladbach-Bayern-Spiel. Auf diese Weise bleibt uns weiteres Schimpfen auf den überteuerten WLAN-Zugang erspart.
Jana erkundigt sich nach unseren Mannschafts-Vorlieben, und ich fluche einen Tacken zu laut über die Bayern. Heavy raunt mir ein energisches „Schschschschschscht“ entgegen – ich habe doch tatsächlich für einen Moment vergessen, wo wir sind. (Und das, obwohl man mit Blick über den See den Ansatz der Alpen erahnen kann.) Peinlich!

Nach dem Essen (und Spielende) lässt der Regen nach. Wir kehren zurück zum Camper und werfen die restliche Grillkohle an. Der Kugelgrill eignet sich nämlich prima als Heizung. Auf diese Weise ist es zwar noch feucht, aber auch gleichzeitig gemütlich.
Heavy und Jana tauschen sich über ihre Nematoceraphobie aus. Beide haben für sich jeweils DAS Insektenmittel entdeckt und kichern über ihren hohen Verbrauch. Sie wetteifern darüber, wen die Mücken härter rannehmen. Jana nimmt ihre Flasche sogar mit in den Biergarten, und Heavy hat sie manchmal nachts auf seinem Kopfkissen liegen. Als sie sich jeweils stolz ihre Flaschen präsentieren, stellt sich heraus, dass beide Produkte denselben Wirkstoff (DEET) enthalten. Janas Spray allerdings ist höher konzentriert. Deshalb freut Heavy sich auch ein Loch in den Bauch, als Jana ihm ihr Mückenspray als Gastgeschenk überreicht.
Es gibt eine Menge zu erzählen, und so sitzen wir bis vier Uhr vor unserer „Heizung“.
Auch ein verregneter schöner Tag geht irgendwann zuende.

zu vorgerückter Stunde