Danke, Heavy!
Was ist an dieser verdammten Stadt so toll?
Eins ist jedenfalls klar: Die seltenen Male, die ich mich in das Verkehrschaos der Rheinmotropole quäle, treffe ich immer Leute, die ich kenne. Und: Es sind immer dieselben.
Ich muss dazu sagen, dass es sich dabei nicht um völlig abwegige, gar absurde Begegnungen handelt. Die Natur der Metalkonzert-Sache ist eben die, dass alles irgendwie immer „in der Familie bleibt“. Okay, Freitag also wieder eins dieser We Are Family-Dinger. Crowbar-Konzert nämlich.
Die Karten lagen schon seit zwei Monaten in meinem verstaubten Schreibtischregal.
Vor zwei Jahren war ich mit meinen Jungs in Enschede bei der Show, die damals von Redrum Inc. aus Hilfarth supportet wurde, und wurde dabei Zeuge von Peterchens Begegnung mit seinem Metalgott Kirk Windstein. Letzterer, Gitarrist von Down und eben auch Frontmann von Crowbar, ist im Übrigen gar nicht so ein übellauniges und gefährliches Monster, wie man glauben möchte, hört man Big B’s Beschreibungen des respekteinflößenden „Ol‘ Man“. Im Gegenteil ist er ein nicht viel größeres, aber dafür breiteres und einige Lenze älteres (Baujahr 1965) Kerlchen als ich, das sich durchaus auch Zeit für die Menschen vor der Bühne nimmt, wenn sie da ist. Peterchen und er auf einem Foto haben fast etwas von Vater und Sohn.
Deshalb verzeiht Peter mir auch sicher, dass ich ihm dieses Foto von seiner Facebook-Seite gemopst habe – immerhin ist er stolz wie Oscar auf Schnappschüsse wie diesen hier. (Und ich bin stolz auf „meinen“ Bassisten, der sich freuen kann wie ein kleines Kind!)
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Father And Son |
In meinem Festplattenfundus habe ich crowbartechnisch noch ein Zückerchen aus 2010 gefunden. Dieses Bild ist ein weiterer Gegenbeweis – von Kirks Berührungsängsten kann hier keine Rede sein!
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Kirk Windstein |
Heavy kannte Crowbar bis dato nicht, aber Konzerte lässt er sich selten entgehen, weshalb er nicht lange fackelte und entschied, mich zu begleiten. Dass ich mit den Jungs meiner Band hinfahren würde, stand schon eine Weile fest.
Köln zu erreichen, ist meistens weniger ein Problem, als in der Stadt selbst von A nach B zu kommen. Es hat mich nichtmal überrascht, dass ausgerechnet wieder eine Straße auf unserer Route gesperrt war – diesmal war es die Venloer. Ganz Ehrenfeld quält sich zur Zeit also über die Vogelsanger Straße, um sich in Richtung Musik oder Erlebnisgastronomie zu bewegen. Dementsprechend viele Ampelphasen Geduld mussten wir mitbringen, bis wir die 200 Hausnummern hinter uns gelassen hatten.
Der alte Parkplatz (oder besser gesagt das, was ich als solchen in Erinnerung hatte) hat sich inzwischen in eine Geröllruine verwandelt. Bei Burger King parken wollten wir nicht, sämtliche umliegenden Supermärkte sichern sich gegen ungewollte Parker mit Rolltoren oder Schranken ab, also suchten wir uns eine Seitenstraße und hatten doch tatsächlich nach zwanzig Minuten einen adäquaten Platz für Heavys Passat gefunden.
Vor dem Toren des Underground-Biergarten hatte sich schon eine Traube von wartenden Metalheads gebildet.
Es ist schon merkwürdig:
Ich habe es nicht mit Menschenmengen, und ich hasse es, irgendwo anzukommen und erstmal angeglotzt zu werden. Ich kann nicht gut in dicht gedrängtem Publikum oder Kassenschlangen stehen, weil ich es nicht mag, ungefragt angefasst oder zur Seite geschoben zu werden. Genauso hasse ich es, wenn ich beim Kippenanzünden Anderen meinen Ellbogen in den Bauch rammen muss. Wenn ich Parties besuche, bin ich gern unter den Ersten zum Warmwerden, weil ich nicht von oben bis unten gemustert und anschließend anhand irgendwelcher äußerlichen Merkmale in Schubladen gestopft werden möchte. Schublade auf, Börsch rein.
Erfahrungsgemäß fühle ich mich in keiner dieser Aufbewahrungsfächer besonders wohl, ich sehe nicht aus wie der Inbegriff von Subkultur, und ich benehme mich manchmal nicht so, wie es „standesgemäß“ von mir erwartet wird. Heavy ist da ähnlich. Da passen wir wohl ganz gut zusammen.
Zurück zum Underground und zu dem, was ich in vielen Worten umständlich sagen wollte – zu dem, was „merkwürdig“ (im Wortsinne) ist: Komme ich irgendwohin, und lungern da überall Metalheads herum, mache ich mir gar nicht so viele Gedanken. Ich weiß, dass ich nicht (oder zumindest nicht immer) danach aussehe, aber unter diesen Menschen fühle ich mich wohl. Denen ist es scheißegal, ob du eine Kutte, Baggypants oder ein Blüschen trägst, ob du künstliche oder echte Fingernägel hast, roten Lippenstift benutzt, dir die Beine rasierst, frisch geduscht oder zuletzt vor zwei Wochen warmes Wasser auf deine Haut gelassen hast.
Wenn du da bist, wo sie auch sind, habt ihr eine gemeinsame Mission. Punkt.
Das reicht, um ins Gespräch zu kommen oder freundlich angelächelt zu werden. Und auch, wenn sie manchmal böse aussehen, weil sie schwarz gekleidet, großflächig mit Metall durchtackert oder volltätowiert sind – sie beißen nicht, und in der Regel kloppen sie sich nicht.
Ein Taxifahrer in Gelsenkirchen, der mich 2011 zum Eingang des Rock Hard Festivals gefahren hat, meinte nur: „Diese Metaller sind mir am liebsten. Die sind höchstens besoffen, aber immer friedlich. Habe ich noch nie schlechte Erfahrungen mit gemacht.“
Und so isses.
Vorbei also an der Menschentraube, rein in den Biergarten.
Heavy und ich suchten uns ein nettes Plätzchen in der Abendsonne, wir waren noch sehr früh, was für uns Beide entspanntes Ankommen bedeutete.
Nach und nach gesellten sich lauter bekannte Gesichter zu uns. Wunderbar.
Als Crowbar später auf der Bühne standen, teilte sich der Haufen auf mehrere Kleingrüppchen im Publikum auf, das Underground war ganz schön voll. Ich stellte erfreut fest, dass mir das Gedrängel trotzdem wenig ausmachte. Siehe oben – alles Metalheads eben.
Später, im Biergarten, wurde genetzwerkt: Spoiler-Adressen gegen Dirty Amish-Telefonnummern.
Außerdem machte mir Alex eine große Freude, als ich merkte, wie aufrichtig sie an unseren Erfahrungen im Rom-Urlaub Anteil genommen hatte. Und dass sie tatsächlich immernoch regelmäßig unseren Blog verfolgt!
(Vielen Dank dafür, Alex!! Auch wenn uns dieses Projekt selbst am Herzen liegt, motiviert es zu sehen, dass auch Andere daraus irgendwas ziehen können.)
Mit ihr philosophierte ich noch eine Weile über den Sinn von Begegnungen und Erlebnissen. Auch sie war der Meinung, dass Gabriel, der Pater in Rom, uns nicht zufällig über den Weg gelaufen ist.
In der Zwischenzeit hatte Heavy eine SMS bekommen, dass seine Nichte endlich geboren war.
Herzlichen Glückwunsch an die jetzt zweifachen Eltern!! :-)
Als es kühler wurde, beschlossen Heavy und ich, seinem Bassisten noch einen Besuch abzustatten. Leider hatten wir Marcs Geburtstagsparty wegen der Konzertkarten absagen müssen. Aber es war (so dachten wir) noch nicht zu spät für einen Überraschungsbesuch.
In der Krefelder Wallachei angekommen, mussten wir leider feststellen, dass die letzten Gäste gerade dabei waren, sich zu verabschieden. Marc freute sich trotzdem über unseren Besuch, sodass er und seine Frau uns noch auf einen Absacker herein baten. Mir wurde der bisher beste Milchkaffee aus einer Privatkaffeemaschine kredenzt, Heavy freute sich über ein kühles Bier. Zu viert saßen wir noch eine Weile auf der Terrasse, der Himmel war sternklar.
Irgendwie passte es zum Abend, dass ein Gespräch über Leben im Jetzt und Dankbarkeit entstand.
Mein krönender Abschluss war die Sternschnuppe, die ich auf der Rückfahrt durch die Frontscheibe gesehen habe. Und der Mann, der – trotz Freitagabend (!) – ganz mit sich und dem Verlauf des Abends zufrieden am Steuer (!) neben mir saß!
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Pattrick Bruders (Crowbar) 2010 |