Naturgewalten

Als ich morgens aufwache, wundere ich mich. Meine Decke ist gar nicht nassgeschwitzt wie in den letzten Tagen. Ein Blick aus dem Fenster bestätigt das erste Gefühl. Es ist total bewölkt, und die Richtung, in der man die Sonne erahnen kann, liegt nicht gegenüber von unserem Fenster über dem Bett.
Hier am Murner See müssen wir etwas weiter zum Sanitärhäuschen laufen, sodass ich hellwach bin, als die Blase nicht mehr drückt…
Ich begebe mich also mit meiner obligatorischen Kanne Kaffee auf unsere Bierbank mit Blick aufs Ufer. Bis Heavy aufsteht, vergeht noch eine gute Stunde, die ich für mich allein habe. Als wir frühstücken, haben sich die Wolken verflüchtigt, und schon um 10 Uhr ist es mit 29°C drückend warm.

idyllisches Ufer

Für den Nachmittag sind also wesentlich höhere Temperaturen zu erwarten, weshalb wir uns entscheiden, dass Sonnensegel aufzubauen. Die nächsten 4 Stunden verbringen wir im Wechsel mit Abkühlen im See, Trocknenlassen und Schwitzen.

 Schattenflucht

Gegen 15 Uhr wird die Hitze selbst mit Ventilator unter dem Segel unerträglich. Wir beschließen, irgendwo klimatisierte Räume aufzusuchen und etwas essen zu gehen. Leider haben wir bei diesem Vorhaben die Umgebung nicht bedacht. Thomas, der diensthabende Lutter an der Rezeption, schüttelt bedauernd den Kopf. „Vor fünfe kriegt’s hier nix zum Essen… klimatisiert isses nur bei McDonald’s. Oder ihr geht’s halt später!“
„Später gehen“ kommt nicht in Frage. Unser Pater aus Rom gibt um 18.30 Uhr eine Messe in der Kapelle des hiesigen Krankenhauses, die wir uns gern ansehen würden.
Aus Mangel an Alternativen machen wir uns also auf den Weg nach Schwandorf und besuchen die Burgerbude. Von wegen klimatisiert! Hier ist es genauso warm wie draußen, und stickig noch dazu. Ich hab mal wieder Schwierigkeiten, bei den Temperaturen das Essen runterzubringen. Der Hunger treibt’s schließlich doch irgendwie rein.
Immernoch verschwitzt, dafür aber satt, trudeln wir pünktlich um viertel nach sechs („viertel siebene“, wie der Oberpfälzer sagt) am Krankenhaus ein. Die Wiedersehensfreude ist groß, als Gabriel uns am Eingang empfängt.
In der Messe zu sitzen ist ein komisches Gefühl. Mich beschleicht ein schlechtes Gewissen einerseits – es gab Zeiten, in denen ich öfter eine Kirche betreten habe als zur Zeit. Andererseits sind mit die katholischen Rituale noch überraschend vertraut. Ich kann die Gebete zwar nicht mehr mitsprechen, aber die ein oder andere Textzeile, wie es weiter geht, kommt mir doch noch in den Sinn. Meine letzte „normale“ katholische Messe (ausgenommen Taufen, Beerdigungen, Hochzeiten) liegt wohl inzwischen 30 Jahre zurück. Ab meinem neunten Lebensjahr gab’s nur noch evangelische Gottesdienste…
Es ist schön zu sehen, wie zufrieden Gabriel wirkt, während er die Messe liest. Ich habe keine Zweifel, dass dieser auf „unsereins“ vielleicht merkwürdig anmutende Weg für ihn der einzig richtige ist.
Nach dem Segen flüchten Heavy und ich auf dem schnellsten Weg auf die Krankenhausterrasse. In der Kapelle ist es stickig und genauso heiß wie draußen. Auf der Terrasse weht wenigstens ein leichter Wind. Nachdem er sich umgezogen hat, holt der Pater uns dort ab, und wir besprechen im Park kurz die Details für den morgigen Abend. Er kommt uns auf dem Platz besuchen, wir wollen zusammen grillen.
Als plötzlich ein Sturm aufkommt, trennen sich unsere Wege, denn Heavy sorgt sich um unser Vorzelt, und wir müssen uns beeilen. Auf dem Weg zurück durch den Wald kämpfen wir mit herabfallenden Ästen und Gestrüpp auf der Straße. Wir befürchten das Schlimmste. Ein weggeflogenes Sonnensegel zum Beispiel, oder eingerissener Vorzeltstoff.
Mit jedem Meter, den wir uns dem Campingplatz nähern, zieht sich der Himmel weiter zu. Innerhalb von sieben Minuten sinkt die Temperaturanzeige im Auto von 36° auf 24°C.
Im ersten Moment werden wir stutzig, als wir auf unseren Stellplatz zusteuern: Sonnensegel – weg! Vorzelt – ebenfalls weg!
Erst beim zweiten Hinsehen wird klar: Wieder einmal haben uns hilfsbereite und erfahrenere Camper den Allerwertesten gerettet. Sie haben sowohl unser Vorzelt, als auch das Sonnensegel abgebaut. Die Stangen, Häringe usw. haben sie fein säuberlich unter den Camper gelegt. Außerdem haben sie das Kabel der Stromversorgung mit einem Eimer zugedeckt, damit uns auch die Sicherungen nicht um die Ohren fliegen… Eine Vorzelt-Stange ist beim plötzlichen Sturm verbogen, aber ansonsten ist zum Glück nichts passiert.
Danke!

Gewitter

In der Zwischenzeit haben wir den Rest zusammen geklaubt und wetterfest gemacht. Nun sitzen wir zum ersten Mal seit unserer Abreise drinnen am Tisch.
Morgen soll es wieder so heiß werden. Wahrscheinlich fliehen wir nach Regensburg und schauen uns den kühlen Dom an. :-)