Mission Brautkleid

Ja. Ein kurzes Wort, zwei Buchstaben. Gar nicht so schwer. Ein kurzes Wort, das mich endgültig vom Singledasein trennt. Idealerweise lebenslänglich. Kein Stress mehr mit Mindestbestellwert oder schweren Wasserkästen. Wir sind jetzt zu zweit hilflos, wenn selber zusammengeschraubte Regale einen Links- oder Rechtsdrall haben, und über ausgefallenes Warmwasser jammern wir gemeinsam und knobeln, wer den Installateur anrufen darf. Ich jage neurotisch meinem Ordnungssinn hinterher, während Heavy innerhalb kürzester Zeit alles wieder in das natürliche Grundchaos zurückversetzt. Er wickelt sich selbstlos in zwei Daunendecken, damit ich auch im Winter im Schlafzimmer meine Frischluft-Sucht ausleben kann. Und: Er verzichtet dort freiwillig auf einen Heizkörper. Ich verzeihe im Gegenzug, dass er mit Omas uralter Heizdecke fast die Bude abgefackelt hätte: Allein die Playstation ist schuld, dass er beim „Vorwärmen“ seines Bettes die Zeit vergessen hat. Aufopfernd und akribisch kratzte er ein anderes Mal Kaugummi von meiner Kuscheldecke und sah mich dabei nur kurz verständnislos an.
Wenn ich weniger rauchen würde, bräuchte ich weniger Frischluft. Wäre ich weniger neurotisch, hätten wir weniger Diskussionen um die heilige Ordnung. Vielleicht wäre uns aber auch langweilig. Und ich glaube, dass wir genau deswegen geheiratet haben.
Ich meine, zu zweit können wir wunderbar beim Pizzaservice bestellen, und das Essen schmeckt dann auch viel besser. Wir ergänzen uns ganz gut. Wir tun meistens die Dinge, die der/die Andere unerträglich findet – und wenn es nur darum geht, sich dafür Anerkennung einzuheimsen, die man sich selber nicht aussprechen würde.Ich denke, ich sollte nun aufhören zu überzeichnen. Dafür sind lustige Eheratgeber und Frauenzeitschriften da.

Mit uns ist schon soweit alles in Ordnung. Glaube ich wenigstens. Meistens.
Das „Ja“ fiel mir leichter als vieles Andere, das rund ums Heiraten erledigt werden musste. Oder, um es in Amtssprache auszudrücken: rund um die Eheschließung.

Wahrscheinlich wissen nicht nur die verheirateten Mädels unter euch um den Irrsinn, der einen bei der Brautkleidsuche erwartet. Man – also ich – möchte ja nicht aussehen wie ein Sahnebonbon. Und den Jahresurlaub möchte man für ein einmalig getragenes Kleidungsstück auch nicht auf den Tisch blättern. Was also tun? Ich weiß leider nicht mehr, wer mir diesen wertvollen Tipp mit DaWanda gab. Ich bin dieser Person jedenfalls von Herzen dankbar. Auf diesem Wege habe ich mir im Internet eine Schneiderin gesucht und mein Kleid quasi individuell entwerfen und nähen lassen. Der Weg bis zur Entscheidung für das Modell konnte auf diese Weise deutlich abgekürzt werden – nicht jedoch der Weg zum Kleid im eigentlichen Wortsinne. 5x musste ich nach Duisburg und stand auf jeder einzelnen Hin- und Rückfahrt durchgehend im Stau. Ich kam kein einziges Mal pünktlich. Wer mich kennt, weiß, dass allein das bei mir schon zu unerträglichen Stresszuständen führt. Bei der vierten und eigentlichen letzten Anprobe versagte dann noch der Reißverschluss. („Montagsproduktion. Hatten wir in den letzten Wochen mehrmals. Tut mir leid, da müssen wir nochmal nachbessern.“) Ich meine, was ein Glück, dass das bei der Anprobe und nicht am Tag der Tage passiert ist… Ohne die Mädels und meine Mutter, die mir bei jeder einzelnen Anprobe (abwechselnd) das Händchen gehalten haben, hätte ich diese Prozedur nicht durchgestanden. Bei aller Vorfreude: Ich hasse es, wenn jemand an mir rumfummelt. Man lernt plötzlich unglaublich viel über sich selbst: „Diese Falte müssen wir irgendwie noch verstecken, das trägt sonst auf“ löst bei mir außerdem ungeahnte Selbstwertkrisen aus. Ich hätte nicht gedacht, wie selbstunsicher ich auf einmal wurde, als es darum ging, mich für den „großen Tag“ einzukleiden. Heavy kennt mich doch eigentlich lang genug und schätzt vor allem meine Rundungen – es gab objektiv betrachtet keinen Grund, derart unsicher zu werden. Ich sage es nur ungerne, aber so sind wir Frauen wohl… Jedenfalls einige.

2014-08-14 17.51.13

beim dritten Besuch endlich was zum Anprobieren…

Die Anprobe-Termine stellten auch den ansonsten nicht misstrauischen Heavy vor eine harte Probe. Da wir einen gemeinsamen Kalender benutzen, musste ich mir etwas einfallen lassen. Das Thema Brautkleid ist ja unter Frauen bekanntlich als geheime Mission durchzuführen. Ich trug also z.B. einen Ikea-Besuch mit Ela in den Kalender ein. Weil Ela gerade umgezogen war, ging ich davon aus, dass dies keine weiteren Fragen aufwerfen würde. Normalerweise ist Heavy fahrig genug, um solche Einträge einfach zu übersehen und dann allenfalls kurzfristig festzustellen, dass ich dann wohl unterwegs bin. Und er ist herrlich naiv in solchen Dingen, Fragen stellt er eigentlich nie. Dieses Mal hatte ich da allerdings die Rechnung ohne ihn gemacht. So wollte er, dass ich ihm bei der Gelegenheit seinen bestellten Lampenschirm von Ikea mitbringe. Spontan fiel mir nichts Anderes ein, als ihm zu erklären, dass ich mit Ela nach Holland fahren würde. Ikea hat dort tatsächlich manchmal andere Angebote, teilweise sind Produkte preisgünstiger als bei uns (aber oft genug auch andersrum). Es funktionierte, er fragte nicht weiter nach. Aber ausgerechnet an diesem Tag sagte die Schneiderin ab, weshalb wir uns etwas aus den Fingern saugen mussten, warum wir denn schon zurück waren, als Heavy dem Zeitplan entsprechend von irgendwoher zurückkam. Ela reagierte geistesgegenwärtig und erzählte, sie hätte keinen Bock auf Holland gehabt, weshalb wir nur in Mönchengladbach bei Möbel Boss gewesen wären. Als sie weg war, quetschte Heavy mich aus, was Ela denn überhaupt suche. Ich hasse es zu lügen… Und mir dann auch noch Vorträge darüber anzuhören, dass dieses oder jenes Ela jetzt aber ja gar nicht kaufen braucht, weil wir davon ja noch massenweise im Keller/auf der Terrasse/in der Garage „rumliegen“ haben. Lattenrost, Bett, Matratze – alles zog nicht. „Wir“ hatten für alles eine Lösung in der Hinterhand. („Wir“ kannten ja auch die eigentliche, die „wahre“ Aufgabenstellung nicht.) Heavy hatte ihr sogar unseren alten Staubsauger aufgeschwatzt, sodass ein Staubsaugerkauf als nächste Ausrede ebenfalls flach fiel. Warum zum Teufel war er auf einmal so aufmerksam? Misstraute er mir? Oder war er einfach „nur so“ so übertrieben hilfsbereit?
Beim nächsten fingierten Ikea-Kalender-Eintrag ging das Spiel von vorn los. Heavy fragte wieder, ob ich mich um seinen Lampenschirm kümmern könnte. Und wieder die Geschichte mit Holland. Ich dachte irgendwie, dass es glaubwürdiger sei, wenn ich den Schmu einfach wiederhole. Wieder die Frage, warum denn Holland… und was wir ja alles noch Schönes in der Garage rumfliegen haben. Nun ja. Ich glaube, irgendwann hat er es einfach aufgegeben. „Frauen halt, immer kaufen die unnötiges Gebamsel“, oder so.
Dabei wollte ich doch einfach nur ungestört ein Brautkleid kaufen…

 

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