Tag 3 – Dolce Vita und die Regenschirme

Man mag es kaum glauben: Auch wenn wir heute den Zimmerservice zur Verzweiflung getrieben haben, weil wir das Hotel schon wieder bis 13 Uhr besetzt haben, anstatt unser Kämmerchen zugunsten der Reinlichkeitspflege zu räumen – ich bin platt wie eine Flunder, und der Heavy auch. Der hat gerade schon angekündigt, zu keiner geistig anspruchsvollen Konversation mehr in der Lage zu sein und sich stattdessen in sein Buch vergraben. Auch gut, so komme ich wenigstens in Ruhe dazu, den Tag in ein paar (mehr) Zeilen zusammen zu fassen.Für heute haben wir uns eine gemäßigte Sightseeing-gepaart-mit-Dolce-Vita-Tour überlegt.

Wie auch gestern, starteten wir wieder an der Porta di Maggiore. Allerdings sind wir diesmal, weil wir die Linie 14 mit ihrer Ankündigung „Stazione Termini“ so gerade noch aus den Augenwinkeln haben ankommen sehen, zuerst in die falsche Richtung gedüst. – Die Richtungstafel am Führerhaus wurde offensichtlich nicht umgestellt. So fuhren wir um die 10 Stationen, bis uns auffiel, dass wir den Stadtkern immer weiter hinter uns ließen. Also aussteigen und wieder zurück in die Gegenrichtung. Vom Bahnhof Termini ging’s dann ab in die Metro Linie A bis zur Haltestelle Barberini. Von da aus sollte ein imaginärer Bus Linie 62 uns weiter bis zur Piazza Colonna bringen. Dessen Haltestelle haben wir wirklich enthusiastisch gesucht, aber nur die für die Gegenrichtung gefunden, weshalb wir nun davon ausgehen müssen, dass entweder der Reiseführer, der Busfahrer des in die andere Richtung fahrenden Wagens oder Murphy (der ist ja eh immer alles schuld) sich gegen uns verschworen hat – oder eben alle drei.
Wir haben erst Dienstag, sind quasi erst den zweiten „richtigen“ Tag in Rom, also noch frisch genug, um die Strecke irgendwie auch zu Fuß zurück zu legen.
Ergo immer schön geradeaus über die Via del Tritone, durch den Straßenlärm und vorbei an den Europa-in-24-Stunden-Asiaten-Reisegruppen schlängeln. Ohne diskriminierend wirken zu wollen, aber es ist ein wenig bizarr, wenn eine äußerlich (aus Europäer-Sicht) von hohem Wiedererkennungswert gezeichnete Menschengruppe sich mit einheitlich weißen Mützen kennzeichnen muss, um sich nicht zu verlieren….

Pantheon

Wie dem auch sei, fünfundzwanzig Souvenirshops und ca. drei Seitenstraßen später, überragt es alle anderen nicht eben unpompösen Stadtvillen: Das Pantheon. 43,3 m hoch wie breit (jaja, ich weiß, das heißt „Durchmesser“…) ist dieses Ding schon eine beachtliche Erscheinung!
Ich hatte es tatsächlich kleiner in Erinnerung. 1700 Jahre lang war das römische Pantheon das Gebäude mit der größten Kuppel der Welt. Seit 609 nach Christus wird es als katholische Kirche genutzt und ist seit der Renaissance die letzte Ruhestätte etlicher Künstlergrößen. So findet sich dort u.a. das Grab des berühmten Engel-Malers Raffael.

Kuppel von innen

Heavy war von der symmetrischen Architektur, die unbedingt mit der Kamera eingefangen werden musste, ganz begeistert. Aufgrund der Lichtverhältnisse hätte ein Stativ Sinn gemacht – in Ermangelung dessen musste ich selbst herhalten. Auf dem Weg zurück durch das Eingangstor parkte er mich neben das Weihwasserbecken und platzierte mir also die Kamera direkt auf den Kopf mit der Ansage, möglichst still zu halten. Dabei beobachtete uns ein Ami-Pärchen. Die Beiden fanden unsere Idee so „cute“ und insbesondere ER auch noch so „useful“, dass SIE, ehe sie zu einem „but“ ausholen konnte, sich schon in meiner, nämlich der Stativ-Rolle, befand. Jetzt waren wir diejenigen, die das grinsend beobachteten.

Rundumblick

(off-topic: Der Heavy neben mir jammert, dass er zu schwach ist, sein Bier zu trinken. *räusper*)

wir, kurz vor dem Eis

Mit Besuch des Pantheon hatten wir die heutige Lektion „Bildung“ abgeschlossen. Es folgte also: Dolce Vita.
Zu Fuß ging’s um ein paar Ecken Richtung Trevi-Brunnen, der, kaum hatten wir ihn erreicht, auch von oben mit ein paar Wasserspritzern in Form von Regentropfen bedacht wurde. Haufenweise Touristen und Römer ohne festen Wohnsitz verließen sternförmig das Terrain in die umliegenden Seitengassen. – Der richtige Zeitpunkt für Heavys Eis. Unsere lieben daheimgebliebenen Freunde und Familienmitglieder hatten sich ja bereits im Vorfeld sehr um unser kulinarisches Wohl gesorgt. Da gab’s Empfehlungen wie „kein Eis am Colosseum, weil irrsinnig teuer“, „den besten Kaffee gibt’s am Pantheon“ und das beste „Eis am Trevi-Brunnen, am besten Schokolade und Zitrone“. Ich behaupte ja, dass in Rom nahezu überall alles gut ist, über Preise kann man streiten, teuer ist hier auch alles. Aber, Heavy redete ohnehin schon seit Verlassen des Hotels vom Eis, das er heute ausprobieren wolle, also passte die Empfehlung der Eisdiele an der Fontana di Trevi sogar in unseren Ablauf.
Leider gibt es kein Foto von der Schokoladenschnüss, mit der das Schätzelein die folgenden 20 Minuten durch Rom stapfte, aber Heavy war auch nicht davon zu überzeugen, das Taschentuch zu benutzen, mit dem ich ihm andauernd unter der Nase herum wedelte. (Ich konnte mich gerade noch beherrschen und mir die Geste des Fingerableckens-und-dann-um-den-Mund-herum-Fahrens verkneifen. Aber seit heute verstehe ich die Not unserer Großmütter und den nahezu unbesiegbaren Drang, den Schnodder auf diese Weise aus dem Gesicht zu wischen.)
Jedenfalls – Fazit: Tartufo und Pistazie waren saulecker.

Glücklicherweise war die Piazza di Spagna nicht weit. Jedem anderen Tourist bleibt beim ersten Blick auf die Spanische Treppe der Mund offen stehen. Das Heavyleinchen freute sich aber viel mehr über den usseligen Brunnen am Fuße derer, an dem er nämlich seine Hände waschen und nun (endlich!) mein Taschentuch mit dem Brunnenwasser benetzen und damit danach die Schokopartie um den Mund herum entfernen konnte.
Ein interessierter Italo-Tamile hatte dieses Schauspiel beobachtet. In seiner Linken trug er einen Strauß Rosen. Als Heavy sich wieder seiner eigentlichen Tagesaufgabe besann und im Rucksack nach seiner Kamera kramte, um die Treppe zu fotografieren, kam der Tamile auf uns zugesteuert, zeigte mit dem Finger auf mich und quatschte ungefragt drauflos: „You are such a lucky man, really…“

geliehenes Glück

Leider war ich von der ganzen Situation so fasziniert und gleicher- maßen überrumpelt, dass ich nicht schaltete, als der gute Mann mir beinahe unbemerkt eine Rose in die Hand drückte und Heavy und mich danach Richtung Brunnen schubste, meiner besseren Hälfte die Kamera aus der Hand riss und uns zu einem herzallerliebst glücklichen Foto nötigte. Im ersten Moment war ich doch tatsächlich so dämlich zu glauben, dass uns diesmal kein Geld aus den Rippen geleiert werden würde. Wie naiv auch! Keine zehn Sekunden später sollte Heavy doch wenigstens ein paar „Coins“ spendieren, da er ja so ein „lucky man“ sei. – Wenn das so weitergeht, mag er ja vielleicht glücklich sein, aber definitiv arm. Heavy kramte ein Fünfzigcentstück raus, das dem Rosenverkäufer natürlich zu popelig war, woraufhin er die Rose direkt wieder mitnehmen konnte. So was aber auch. Auf erzwungene Rosengeschenke legt wohl keine Frau einen gesteigerten Wert, umso verdutzter war der Rosenmann, dass es mir nichts auszumachen schien, leer auszugehen.

div. Kuppeln

Anständig wie wir erzogen sind, marschierten wir alle Stufen der Spanischen Treppe bis nach oben, von wo aus man einen superschönen Blick über die Dächer Roms hat, auch wenn immernoch Unklarheit über zwei von drei hervorragenden Kuppeln besteht. Die hinterste dürfte dem Petersdom gehören, eine der anderen beiden könnte die Engelsburg sein, Nummer 3 ließ sich auch mit VaV nicht abschließend klären. Egal. Kuppeln gibt’s in Rom noch und nöcher, mindestens so viele wie Brunnen und Pizzabuden.

’n Schirm jemand?

Achja, noch etwas ist uns aufgefallen: Nicht nur Tamilenrosenverkäufer und alberne Centurios sind groß im Kommen. In Rom scheint es auch sowas wie wetter- oder tageszeitabhängige Allroundverkäufer zu geben. Was in Amsterdam die Kerle mit den ausklappbaren Coffeeshop-Mänteln sind, sind in Rom Dealer, die sich an den aktuellen Bedürfnislagen der Touri-Passanten orientieren. Kaum fiel am Trevibrunnen der erste Regentropfen, kamen plötzlich aus allen Löchern Typen, die Regenschirme verkauften. Einmal auf sie aufmerksam geworden, begegneten wir ihnen heute an jedem Laternenmast. Nicht, dass sie da einfach nur standen, nein, sie gingen sogar teilweise einige Schritte neben einem her und drückten uns die Schirme fast in die Hand. Ob Rose, Plastikschwert oder Regenschirm – es scheint alles nach dem gleichen Prinzip zu funktionieren: Man drückt dir in die Hand, was du gar nicht haben willst, und dann musst du dafür auch noch bezahlen (und wehe, es ist nicht genug!).
Morgen soll es wärmer und sonniger werden – ich bin gespannt, ob es dann Sonnenbrillen und -creme statt der Schirme gibt, oder was den Jungs sonst noch so alles einfällt, das ich möglicherweise (nicht) gebrauchen kann.

Heavy trinkt Wein

Zu Dolce Vita gehört auch Kaffee oder Wein im Straßencafé. Beides haben wir genossen – Heavy den Wein, ich den Kaffee (sogar mit Milch!). Danach machten wir uns auf den Weg, um irgendwo in Richtung unseres Hotels noch zu Abend zu essen. Die Restaurants um die Spanische Treppe herum verlangten Wucherpreise und waren optisch nichtmal besonders ansprechend für uns.
Leider konnten wir das im VaV empfohlene Restaurant, das wir uns ausgeguckt hatten, nicht finden, weil es offensichtlich inzwischen den Betrieb aufgegeben hatte. So sind wir einen mittleren Umweg mit der Metro gefahren, um danach immernoch unter knurrenden Mägen zu leiden. Daher fuhren wir kurzerhand wieder Richtung Bahnhof Termini (quasi schon Richtung Heimat), kauften uns bei unserer Schnellpizzabude vom ersten Tag nochmal jeweils eins dieser Riesen“viertel“ und fuhren dann wieder zurück ins Hotel.

Hier sitzen wir nun, müde und kaputt, aber zufrieden. Heavy blättert in seinem Buch und gähnt in einer Tour, ich glaub, ihm geht’s gut. :-)

Der Tag war super, entspannt und trotzdem voller Ereignisse. So kann’s bleiben.
Nur bitte, bitte… schalte doch endlich mal jemand diesen verkackten Pollenflug ab!

…was es sonst noch so im spanischen Viertel gibt…
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